Prof. em. Dr. med. Karl Köhle: Medizindidaktik

Problemorientiertes Lernen (POL)

Während das traditionelle Lernmodell lehrerabhängig arbeitet, wird Problemorientiertes Lernen von Tutorinnen und Tutoren unterstützt. Sie leiten die Studierenden an, selbstverantwortlich zu recherchieren und sich somit ihre Erkenntnisse aus eigener Kraft begreifbar zu machen.

Problemorientiertes Lernen (POL) zielt auf eine fächerübergreifende Integration von Inhalten, die sich Studierende in aktiven und selbstreflexiven Lernprozessen aneignen. Damit stellt POL eine Abkehr vom traditionellen Wissenserwerb dar, bei dem Studierende noch unverbundene Fächerstoffe additiv und enzyklopädisch lernen.

Problemorientierte Lehr-Lernspirale

Das Kernstück des POL ist die problemorientierte Lehr-Lernspirale. Im medizinischen Bereich initiiert sie patientenzentriertes, fächerübergreifendes und zugleich am Forschungsprozess orientiertes Lernen.

Die acht Schritte der problemorientierten Lehr-Lernspirale

Problemorienterte Lehr-Lernspirale
  1. Fallpräsentation
  2. Problemdefinition
  3. Hypothesenbildung
  4. Hypothesenprüfung
  5. Reflexion der Erklärungsmodelle
  6. Diagnose der Wissenslücken
  7. Lernzielgesteuertes Selbststudium
  8. Synthese des Gelernten und Rückbezug auf die anfängliche Problemstellung

Das Kölner Erstsemester-Tutorium „Medizinische Psychologie“

Während des Erstsemester-Tutoriums stellen die Studierenden nach der videounterstützten Konfrontation mit Patientenproblemen zunächst Hypothesen zum Problemverständnis auf. Dabei ist das Spekulieren und Erarbeiten möglichst vieler Verständnisperspektiven für das Patientenproblem durchaus gewollt.

Danach sorgt konsequente Anleitung dafür, die eigenen Annahmen und Vorurteile zu prüfen. Immerhin können diese die Hypothesenbildung bestimmen. Mittels dieser "Reflexion der Erklärungsmodelle" sollen die Studierenden lernen, ihre eigenen kognitiven Prozesse zu hinterfragen. Denn nur die Fähigkeit zur Reflexion der eigenen Selektions-, Kategorisierungs- und Generalisierungsprozesse vermindert vorschnelles Diagnostizieren. Auch lässt sich nur so das Ausblenden ungewünschter Befunde beziehungsweise das Passendmachen von Befunden verhindern.

Die weiteren Arbeitsabschnitte dienen der Klärung, welches zusätzliche Wissen für die Überprüfung der aufgestellten Hypothesen benötigt wird und wie die Studierenden sich dieses Wissen beschaffen können.

Seit der Implementierung des Erstsemester-Tutoriums „Medizinische Psychologie“ an der Kölner Medizinischen Fakultät im WS 1991/92 haben in den vergangenen 25 Jahren rund 12.500 Studierende mit der Unterstützung von rund 220 Tutorinnen und Tutoren ihr Studium der Medizin mithilfe des Problemorientierten Lernens begonnen.

Weitere Informationen über das Erstsemester-Tutorium „Medizinische Psychologie“ liefert unser Fachartikel:

HEINDRICHS, G., R. OBLIERS, K. KÖHLE (1999): Welche Fähigkeiten fördert problemorientiertes Lernen bei Studierenden der Medizin? Evaluation eines Erstsemester-Tutoriums „medizinische Psychologie“. PPmP 49: 208-213.